Mama, take my Kodachrome away!

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Ich liebe Fotos! ma-sig

Als ich klein war, hat man nur zu bestimmten Anlässen Fotos gemacht. Man hat pro „normalem“ Motiv (Hochzeiten und Taufen mal ausgenommen) nicht mehr als ca. zwei Bilder verschossen und oft dauerte es Monate, bis man den Film zum Entwickeln gab und die Bilder gesehen hat. Das war dann oft eine nette Überraschung, weil man vieles schon vergessen hatte.
Als ich ungefähr zwanzig war, entwickelten meine Freundinnen und ich eine solche Liebe zu Fotos, dass wir in einem Urlaub 9, in einem weiteren sogar 11 Filme verknipsten. Das war im Jahr 2000 noch eher ungewöhnlich und wurde von unseren Eltern beinahe als Verschwendung angesehen.
 Im Jahr 2005 bekam ich meine erste digitale Fotokamera. Fortan trug ich sie immer in meiner Handtasche herum und fotografierte alles, was mir unter die Augen kam. „Ausschussbilder“ wie verwackelte oder angeschnittene Motive bewahrte ich ebenso sorgfältig auf wie früher meine analoge Ausbeute. Schließlich wusste man ja nie, wann man die Bilder nochmal brauchen könnte … vielleicht würde mich mal ein Detektiv befragen und dann wären just diese Bildschnipsel der Schlüssel zur Lösung eines Falls (das habe ich wirklich geglaubt! Schriftstellerinnengehirn …)
Sprung in die Jetztzeit:
Wie es heute ist, muss ich wohl nicht beschreiben. Die meisten Menschen scheinen keinen einzigen Tag leben zu können, ohne zig Bilder zu machen. Sie fotografieren ihr Essen, ihr Zimmer, ihre Freunde, ihre neu erstandenen Sachen, ihre Gesichter, ihre Umwelt, ihre Gesichter, ihre Nägel, ihre Gesichter …
Manchmal frage ich mich: warum eigentlich?
Aus Unsicherheit, weil sie nicht wissen, wie sie sich ohne Smartphone in der Hand verhalten sollen? Wollen die Leute wirklich alles festhalten? Sich vergewissern, dass sie existieren? Oder einfach, weil man es sich so angewöhnt hat und nicht mehr davon loskommt?
Wirklich praktisch ist es, wenn man schnell einen Fahrplan, einen Auffahrunfall oder einen komplizierten Code fotografieren kann. Und ich möchte natürlich Erinnerungen an bestimmte Momente und Personen haben. Aber dafür muss ich nicht pausenlos alles knipsen.
Meine Erfahrung ist, dass ich die Welt um mich herum nicht wirklich wahrnehme, wenn ich fotografiere. Ich möchte Erinnerungen haben, aber nicht zu dem Preis, dass ich die Situation, an die ich mich erinnern möchte, gar nicht wirklich miterlebe. Und außerdem: was soll man mit den aberwitzig großen Mengen an Bildmaterial eigentlich anstellen?

Und: will ich mich an all das überhaupt erinnern? An jeden normalen Tag, an einen blöden Ausflug, an eine Reise, auf der ich mich einsam gefühlt habe?

Ich selbst mache immer weniger Bilder.
Meine Strategie ist: Von jedem „wichtigen“ Motiv mache ich zwei, drei Fotos. Dann lege ich die Kamera weg und versuche, die Situation zu genießen. In meinem Kurzurlaub auf Mallorca bin ich eine Stunde lang mit Sohn und Kamera herumgelaufen und habe das Hotel, den Pool, den Strand und die Aussicht von unserem Balkon fotografiert. Dann wurde die Kamera im Zimmer eingeschlossen und wir haben einfach nur genossen.
Das reicht völlig, um später etwas Schönes in der Hand zu haben.
In der Hand? Ja, ich habe mir angewöhnt, jedes Jahr ein Fotobuch mit den schönsten und wichtigsten Aufnahmen zu gestalten. Das ist nicht viel, aber es reicht, um alles Wichtige schnell anschauen zu können.
Und Ausschussbilder wie verwackelte Motive lösche ich mittlerweile. Bisher hat die Welt sich weiter gedreht.

Also, take your Kodachrome away und lebe ein bisschen mehr im Moment.

erinnernLiebeskummer, Streit, Gewitter, Wein … doch, über dieses Foto freue ich mich, denn es gibt die Stimmung sehr gut wieder, die damals herrschte, als wir ein spontanes Picknick hinter dem Haus des Exfreunds meiner Freundin machten und das Wetter die perfekte Untermalung zu dem kleinen Drama bot. (Im Gegensatz zu unzähligen anderen Bildern aus dieser Serie, die in die Tonne dürfen.)

 

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