„Doch“, sagt meine Agent, „das Exposé ist wirklich gut. Nur ein wenig, hm, nicht hip genug. Aus Erich machen wir Eric, aus Lora Loreley, und könnte Eric nicht etwas reicher sein?“
„Du meinst, ein Millionär?“, frage ich nach.
„Um Gottes Willen, mit einem Millionär lockt man heute keine Hausfrau mehr hinter dem Ofen hervor. Es muss schon mindestens ein Milliardär sein.“
„Warum nicht gleich ein Trilliardär?“, frage ich sarkastisch.
„Das ist noch besser. Ich freue mich, dass du es verstanden hast. Und deine Lora müsste ein wenig jünger, hübscher und unschuldiger sein. Es wäre einfach besser, wenn sie vielleicht noch Jungfrau wäre.“
„Aber wie soll sie ein Kind haben, wenn sie Jungfrau ist?“
„Das mit dem Kind finde ich eh nicht so ideal. Besser wäre eine Katze oder ein Hund, die kann man notfalls weggeben, wenn der Trilliardär sie nicht mag.“
„Der ganze Plot dreht sich aber um Jonathan“, sagte ich störrisch.
„Dann stammt Jonathan halt aus einer Samenspende, die Eric abgegeben hat, bevor er mit seinem Start-up durchgestartet ist. Genau, das war nur eine einzige Samenspende, danach hat er Skrupel bekommen, und jetzt ist er zeugungsunfähig und auf der Suche nach seinem einzigen, möglicherweise existierenden Kind. Das bringt einen tollen Drive rein. Du bist die Autorin, das kriegst du schon hin.“
„Es ist aber eigentlich kein klassischer Frauenroman, es geht eher darum, wie Lora ihr Leben als Künstlerin und alleinerziehende Mutter auf die Reihe kriegt, ohne sich selbst zu verlieren. Das mit Erich funktioniert erstmal so gar nicht, und ich wollte auch kein klassisches Happy End …“
„Verstehe, aber so wird das nichts. Künstlerinnen sind ganz schlecht, lass Loreley Sekretärin in Erics Firma sein. Vielleicht macht sie dort ein Praktikum.“
„Lora ist aber Bildhauerin, und Erich arbeitet in einer Galerie.“
„Oder sie arbeitet als Nanny und verliebt sich bei einem One-Night-Stand in Eric. Vielleicht ist seine Frau tot und sie liebt sein Kind dann wie ihr eigenes, oder er ist nie über den Tod der Crackhure hinweggekommen. Könnte Loreley sich manchmal versonnen auf die Oberlippe beißen?“
Ich versuche, mir auf die Oberlippe zu beißen.
„Das sieht total bescheuert aus.“
„Das kriegst du schon hin. Unterlippe geht gar nicht, das ist schon besetzt. Wir wollen uns ja keines Plagiats schuldig machen.“
„Nein, das wollen wir nicht.“
„Ich stelle mir das Ganze mit viel Leidenschaft vor, du musst nur noch diesen Künstlerquatsch und das mit den Depressionen streichen.“
„Sind Depressionen nicht hip?“, frage ich verwundert.
„Nein, wir wollen ein düsteres Geheimnis in der Vergangenheit, sobald das gelöst ist, geht es ihr wieder total gut. Depressionen sind nicht sexy. Sie leidet, Eric hilft ihr, das Trauma zu überwinden, danach sind sie glücklich. Umgekehrt hilft sie ihm, sich seinen Dämonen zu stellen und sie zu bezwingen. Das wird gut, ich hab´s im Gefühl!“
„Ich muss eine Nacht darüber schlafen“, weiche ich aus.
„Mach das, aber zögere nicht zu lange, wir wissen ja nicht, was die anderen grade so entwickeln. Wir wollen uns ja nicht, dass ein anderer auf unsere Ideen kommt. Du lebst schließlich von deiner Originalität, Schätzchen!“
Von einem muss ich mich nun trennen, von meinem Agenten oder von meiner Originalität. Aber die Entscheidung ist nicht schwer. Originell kann schließlich jeder, aber einen guten Literaturagenten muss man erstmal finden.
Ihr dürft also auf „Ein Trilliardär für die ungeküsste Single-Mom-Nanny mit Leidenschaft zum Frühstück“ gespannt sein.
In Kürze hier erhältlich:
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