„Unsere Freundschaft bedeutet mir sehr viel. Ich bin immer für dich da.“
Heute wurde ich bei Facebook einer Gruppe namens „Freunde treffen sich“ hinzugefügt. Abgesehen davon, dass ich die Funktion, die es gestattet, Personen ungefragt einer Gruppe hinzuzufügen, bescheuert finde, stört mich noch etwas anderes: Das Wort „Freund“.
Seit ich networke, mich also auch mit unbekannten Personen übers Internet verbinde, werde ich mit Bildchen, Phrasen und Texten zum Thema Freundschaft zugeschwallt.
Freundschaft ist das Kostbarste
Freundschaft ist so wichtig
Wollen wir sehr gute Freunde werden?
Jedesmal, wenn ich einen derartigen Erguss in meinem Postfach vorfinde, muss ich erbrechen.
Es geht nicht um den Inhalt.
Ja, Freundschaft ist etwas Kostbares, Freundschaft ist neben Liebe und Familie wirklich das Wichtigste auf der Welt, und zwar auf der gleichen Ebene, nicht darunter.
Es geht um die Beziehung. Wie kommt ein Mensch, den ich noch nie gesehen habe, auf die Idee, mir solche Binsenweisheiten um die Ohren zu knallen? Ich schreibe doch auch keinem Wildfremden: Luft ist so wichtig, ohne Luft kannst du nicht leben! Oder gar: Soll ich deine Luft sein?
Ein Freund ist weiß Gott nicht jemand, dessen Freundschaftsanfrage ich bei Facebook bestätigt habe, sorry.
Ich habe übers Internet Menschen kennengelernt, mit denen ich mich wirklich gerne unterhalte. Menschen, die ich cool, witzig, warmherzig und klug finde. Menschen, mit denen ich mich gerne mal auf einen Kaffee treffen würde und von denen ich glaube, dass wir uns tatsächlich anfreunden könnten, wenn wir Zeit miteinander verbrächten. Wir haben uns teilweise intensiv über bestimmte Themen ausgetauscht und es ist tatsächlich so etwas wie Intimität und Vertrauen entstanden. Darüber freue ich mich. Und ich schließe nicht aus, dass aus diesen Kontakten noch echte Freundschaften entstehen. (Ich glaube, wer hier gemeint ist, weiß das schon selbst.)
Aber was soll ich mit jemandem, der mir anbietet, ein sehr guter Freund zu werden? Hallo?
Ist ein sehr guter Freund so etwas wie ein Stellenangebot, das man im Netz ausschreibt und dann vertraglich besetzt?
Ich habe sehr gute Freunde, und dafür bin ich unglaublich dankbar. Es sind Menschen, mit denen ich als bereits als Kind gespielt habe, Menschen, mit denen ich in der Schule war oder zusammengewohnt habe. Meine Freunde kennen mein Leben, meine Geschichten, meine Schwierigkeiten und meine Träume.
Mit all diesen Menschen verbinden mich gewachsene Beziehungen. Wir haben vieles geteilt, miteinander erlebt und teilweise auch durchgestanden. Meine Freunde kann ich nachts um drei anrufen, wenn ich ein Problem habe. Wenn wir uns sehen, sind wir uns absolut vertraut. Diese Menschen dürfen mir jeden Spruch zum Thema Freundschaft auf die Pinnwand posten.
Aber alle Fremden, die ihr mir euer Freundschaftsgewäsch um die Ohren knallt: Verschont mich damit! Sonst werde ich vom Vomieren noch zu dünn…
Noch etwas: Ich finde es prinzipiell positiv, wenn jemand sein Kopulationsangebot zurückzieht, ohne beleidigt zu sein. Dennoch ist der nächste logische Schritt nicht das Vereinbaren einer „sehr guten Freundschaft“.